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GDCF-Reise nach Shanghai, Sichuan und Peking im Oktober 2010

Am 09. Oktober war es soweit: unter Leitung von Frau Gomberg, der Vorsitzenden der Siegener GDCF (Gesellschaft für Deutsch-Chinesische Freundschaft), flog eine Gruppe von 19 China- interessierten (überwiegend Mitglieder der GDCF) nach China. Die erste Station war Shanghai – eine überwältigende Metropole mit pulsierendem Leben auf verschiedenen Ebenen und mit vielen Kontrasten.

Die Mega-City macht mächtig Eindruck auf die Reisegruppe. „Frankfurt ist dagegen ein Dorf“, sagt Marianne im Bus in der zweiten Sitzreihe. Einige staunen mit offenem Mund aus den Fenstern hinaus. Wolkenkratzer. Soweit das Auge reicht. Einer ideenreicher gebaut als der andere. Als die neunzehn Siegerländer nach dem Transfer vom Flughafen im Hotel ankommen, sind sie sehr schweigsam. Nicht nur wegen der Zeitverschiebung. Isolde Gomberg mustert die Gesichter. Sie kennt Shanghai. Und sie erkennt, was alle denken: „Gewaltiges China!“

Am nächsten Tag erfolgen der Besuch des Jadebuddha-Tempels, ein Bummel durch die sehenswerte Altstadt  und am Abend zunächst ein Schlendern über den Bund mit seinen Gebäuden aus der Kolonialzeit und anschließend eine Bootsfahrt auf dem Huangpu mit der leuchtenden Silhouette des ‚alten’ Shanghais auf der
einen und des ‚neuen’ Pudong auf der anderen Seite des auch nachts belebten Flusses.

Pudong:  1000 Meter gegenüber ist eine Orgie in Licht. Ein vor dreißig Jahren aufgenommenes Foto zeigt hier drei Hafenkräne. Jetzt kratzen die Wirtschaftskrakenfinger der 20-Millionen-City bis zu 492 Meter in den Himmel hinein. Hier zeigen die Global Player, was sie haben. Der Petersdom fiele hier nicht auf. „Selbst Manhattan ginge in dieser Größe unter“, findet Marianne. Auf der anderen Seite der Bund. Prachtstraße und Triadenmeile. Hafenpromenade. Bankenstraße. Wenn Michael Gomberg, der China-Kenner, an Shanghais Geschichte denkt, läuft es ihm kalt den Rücken hinunter. Er kennt auch die harte, geschäftliche Seite des Riesenlandes gut. Michael liebt China. Einschließlich seiner Schattenseiten.

Der Kulturtempel Shanghai Museum zeigt nicht weniger Weltniveau mit seinen berühmten Bronze- und Jadeexponaten Bernd  ist begeistert von den Bronzen.


   Dann die Expo - eine Ausstellung der Superlative. Hervorzuheben sind der chinesische und deutsche Pavillon – und die hervorragende Organisation, die den Besucheransturm von durchschnittlich ca. 600.000 Besuchern pro Tag problemlos steuert. Wir wagen die Schlangen: länger als zehn Minuten warten wir nirgendwo. Uns gefällt der chinesische Pavillion am besten. Der deutsche ist nicht schlecht. Aber sehr modernistisch. Er präsentiert uns Deutsche mitreißend auf dem hohem Niveau moderner Kunst.

Zum Flugzeug nach Chengdu, der Metropole in Sichuan, geht es mit 300 km/h per Magnetschwebebahn. Dreimal schneller als Frankfurt-München mit dem ICE. In Stuttgart wird gegen den neuen Bahnhof demonstriert. Die Chinesen haben dieses Recht nicht. Aber ein besseres Schienensystem. Die Sicherheitskontrollen sind sorgfältiger und genau so modern und höflich wie in Deutschland.

Chengdu ist nicht ganz so stylisch wie Shanghai. Aber auch hier Hochhäuser ohne Ende. Nur wenige wirken plattenbauartig. Von Chengdu aus fahren wir nach Leshan.

In Leshan steigen wir am Flussufer an Buddhas rechter Seite in Serpentinen auf und blicken hinab auf den 71 Meter in Stein gehauenen Buddha, die höchste alte Buddhafigur der Welt ist heute ein Unesco – Weltkulturerbe. Vom  Kopf aus hat man einen schönen Blick über die an dieser Stelle zusammenfließenden 3 Flüsse im Tal.

Nächstes Etappenziel war der Emei Shan, der höchste der vier heiligen Berge des Buddhismus in China (3099m). Mit Bus, zu Fuß (leichte Atemnot) und Gondel erreichten wir den Gipfel. Übernachtung im Gipfelhotel.


Sprachlos am Morgen:

Den Emeishan erleben wir in seinem ganzen Zauber: Aus einem wogenden Wolkenmeer blinkt die Goldene Pagode vom Augenbrauengipfel weit vor uns  Auf dem Gipfel des Golden Summit Emei thront eine majestätische Samantabhadra-Statue. Sie ist 48 Meter hoch und hat vier Gesichter. Buddha selbst soll auf seinem dreiköpfigen Elefanten hierher geritten sein. Den Weg hinauf säumen Elefanten, die das goldene Steuerrad der Weisheit tragen. Heilige Stimmung. In der Dämmerung tun sich Blicke in die östlichsten Gipfel des Himalaya auf. Höchstens ein Fünftausender meint einer. Aber die Gruppe erblickt einen Siebenhalbtausender, der in der Ferne sein matterhornähnliches Haupt aus einer Schneebergekette weit herausstreckt und, von den ersten Strahlen der aufgehenden Sonne getroffen, goldene Blitze herüberzuckt.

Der Gongga Shan.        China trifft uns hier besonders tief ins Herz hinein.

Sunset und Sunrise auf dem Emei Shan sind das Gegengeschenk der chinesischen Götter für die Siegerländer Hilfe beim großen Erdbeben 2008. Verdient hätten es die Katastrophenhelfer aus unserer Heimat, die gleich am 12. Mai 2008 nach Chengdu reisten. Beim Abstieg treffen wir wilde Tibetmakaken, die Unvorsichtigen die Essvorräte rauben. Immerhin wird keiner gebissen.

Auf dem Weg nach Deyang machen wir noch im der Panda-Aufzuchtstation halt und schauen uns den großen und kleinen Panda an.

Weiter geht es nach Deyang, der Partnerstadt des Kreises Siegen-Wittgenstein  – ein absoluter Höhepunkt! Zunächst erlaubte man unserer Gruppe durch Hanwang zu laufen, eine Stadt im Regierungsbezirk von Deyang, die durch das Erdbeben 2008 fast vollkommen zerstört worden ist (ca. 17.000 Tote) und deren Ruinen jetzt als Gedächtnisstätte erhalten bleiben  
Eine etwa zehn Meter hohe Standuhr auf rissigen Mauern zeigt 14:28 Uhr. Die Uhr ist stehen geblieben, als das Erdbeben kam. Schweigend gehen wir durch die Trümmerlandschaft. Aber immer wieder spricht unser chinesischer Reiseleiter von Dankbarkeit. Das macht uns stolz. Besonders auf Initiative der Gesellschaft für deutsch-chinesische Freundschaft und mit aktiver Unterstützung der Kreisverwaltung konnte aus dem Kreis Siegen-Wittgenstein nicht nur Katastrophenhilfe, sondern auch beträchtliche finanzielle Unterstützung geleistet werden.

Unter anderem wurde ein komplettes modernes Schulgebäude mitfinanziert. Die an der Frontseite angebrachte Bronzetafel fällt jeden Morgen den 560 SchülerInnen und ihren LehrerInnen der Yangjia Qianqu-Mittelschule ins Auge. Sie alle empfangen, nach ortsüblicher Art in Reih und Glied stehend, auf dem mit einem Dankesspruchband geschmückten Schulhof die deutschen Gäste 

Einige Siegerländer kennen Deyang.  3,8 Millionen Einwohner. Brummende Partnerstadt von Siegen-Wittgenstein. Ein Meer von Hochhäusern. Autos ohne Ende. Wenn du auf dem Zebrastreifen auf ein  nahendes Auto schaust, hast du verloren. Der Fahrer nimmt an, dass du als Schwächerer schon zurück weichst. Also kein Signal geben. Tapfer geht Ferdi einfach los und schaut in die Gegenrichtung. So klappt es. Wir gelangen alle an die andere Seite. Aber Ferdi schluckt. Geisterfahrer kennen die Chinesen nicht. Wenn auf einer Seite der Autobahn gebaut wird und Stau entsteht, fahren die Chinesen auch schon mal in der Gegenrichtung. Natürlich etwas langsamer als üblich. Aber wir Westler lernen so, mit unserem Adrenalin umzugehen.

Auf dem Platz der Neuen Zeit tanzen Tausende. Meist lateinamerikanische Tänze bei Musik aus mitgebrachten Anlagen. Ein Stück weiter Karaoke mit Live-Band. Alle blicken auf uns. Ein würdiger älterer Herr bringt Hocker. Widerspruch wäre unhöflich, so setzen wir uns in die erste  Reihe. Und dann geht es los. Wir sollen mitmachen. Auweia. Hannelore wagt es. Tosenden Beifall erntet sie für ihren Vortrag des Lieder „Ein schöner Tag zu Ende geht.“ Ein Meer freundlicher Blicke.

Am nächsten Tag  besichtigen wir das Museum von Sanxindui ( auch ein Weltkulturerbe) mit den sensationellen Ausgrabungsfunden aus der Zeit von 2800 bis 800 v. Chr. Es zeigt Fundstücke von einer Hochkultur zur gleichen Zeit, als die  Pharaonen lebten.  Die Motive der Ausstellung waren uns vertraut: wir hatten diese schon bei einer Ausstellung chinesischer Maler  in Siegen gesehen, die auf Initiative von der GDCF im Haus Seel gezeigt worden war.

Der Oberbürgermeister der 3,8-Millionen-Stadt Deyang, Chen Xinyou, drückt am Abend den Dank der Sichuaner auf chinesische Weise aus: Mit einem  Empfang, einem festlichen Dinner und mit ungekünstelter warmherziger Freundlichkeit. Herr Hu, der Stadtsekretär und vermutlich eine der Parteispitzen, hatte vor Jahren seinen Sohn zum Austausch ins Siegerland geschickt und Gegenbesuch empfangen. Nach dem privaten Treffen fährt er die Eltern mit seiner dunklen Limousine nach Hause.  

Seit Jahren wird von der GDCF Siegen ein Waisenhaus in einem Vorort Deyangs unterstützt. Trotz deutlicher Verbesserungen der Verhältnisse seit dem letzten Besuch wirkte der Aufenthalt auf alle erschütternd. Die teilweise geistig und körperlich behinderten Kinder brauchen dringend eine noch bessere Förderung und Betreuung nach modernen Standards. 

Zwei weitere Schulen sind heute ebenfalls Ziel der Delegation: Eine Kollegschule (6000 Schüler und 800 Lehrer) empfängt die Besucher spalierstehend und mit noblem Blumenstrauß für jeden als Zeichen des Dankes für erhaltene Unterstützung.

Am Sichuan Technical College (12000 Schüler) diskutieren die mitgereisten Deutschen und die anwesenden chinesischen Fachleute für Berufsbildung, wie die technische Berufsbildung in Sichuan optimiert werden kann.

Umwerfend war die  Gastfreundschaft von Partei, College und Bürgermeister mit drei unvergesslichen Essen in den besten Hotels der Stadt, umwerfend auch der Rundum - Service der Stadt, vertreten durch Herrn Zhao von der „Deyang Municipal People´s Friendship Association“, der die Gruppe noch ein mit einem weiteren köstlichen Essen in einem der besten Restaurants der Stadt verabschiedete.

 In der Stahlstadt- und Kohlestadt Taiyuan, wo wir auf dem Weg nach Peking landen, empfangen uns Gestank und Industrieabgase. Glücklicherweise  fahren wir sofort weiter nach Pingyao, das sich im Quellgebiet der chinesischen Zivilisation – im Mittel- und Unterlauf des Gelben Flusses – befindet.
Pingyao ist eine  im Originalzustand erhaltenen Stadt aus der Ming-Zeit. Weltkulturerbe der Unesco. Die schon im 5. Jhdt. erwähnte und von einer komplett erhaltenen, 6,4 km langen Mauer mit Zinnen und Türmen aus dem 14. Jhdt. umschlossene Stadt hat ihr homogenes Aussehen aus zweigeschossigen, rotbraunen Holzhäusern aus der Mingzeit fast lückenlos erhalten. Und dabei ist sie nicht nur Museum für die Touristen, sondern in ihren Straßen pulsiert das Leben. Wir übernachten in einem traditionellen Hof-Haus und schlafen auf dem Kang.

Am nächsten Tag besuchen wir noch das Wohnhaus der Familie Chang, reich geworden durch Tofu. Das Wohnhaus und die Gartenanlage ist groß wie der Vatikan. Hier wurde auch der Film „Die rote Laterne“ gedreht.
Der Jinci-Tempel verzückt uns mit großartigen alten chinesischen Holzfiguren und einer Gartenanlage wie im Paradies. Ähnlich der der Shuanling-Tempel.

Am Abend fahren wir mit dem Schnellzug die 690 km nach Peking in 3 Stunden. Dort haben wir den letzten Tag zur freien Verfügung.  

Fast alle nutzen den letzten Tag auch für Besichtigungen: z.B. Kaiserpalast, Sommerpalast, Baiyue-Kloster und Himmelspalast werden am Tag vor dem Abflug noch schnell mitgenommen. Die neun Stunden in der Boeing 747 zurück nach Frankfurt sind zum Träumen da: vom gewaltigen China!