Falsches Feindbild China

Als selbstbewusster Akteur scheint China für den Westen schwer akzeptabel zu sein.

Mechthild Leutner* (Gastkommentar)

19.02.20 Der Tagesspiegel

 

Die Konfuzius-Institute an deutschen Universitäten sind in die Kritik geraten, da bei Teezeremonien und Sprachkursen eiskalte Propaganda gepflegt würde. Das passt zu der öffentlichen und medialen Debatte, in der das alte Klischee vor der chinesischen Gefahr erneut gepflegt würde.

Es ist u.a. die Rede von „Weltmacht China. Eine Bedrohung“ („SZ“) oder von „China lässt die Welt längst erzittern“ – ein Rückgriff auf einen Buchtitel von 1974. Das „Handelsblatt“ titelt „Chinas Marsch nach Westen“: „Wie gefährlich die ,Neue Seidenstraße‘ wirklich ist“.

Nach der positiven Wahrnehmung Chinas in Europa während der Jesuitenmission im 17. und 18. Jhdt. änderte sich das Chinabild im 19. Jhdt. China wurde zum Land des Stillstands, rückständig und „halbzivilisiert“. Den europäischen Mächten ging es um die Sicherung der Bezugs von Porzellan, Seide und Tee. Durch die illegale Einschleusung von Opium aus Indien nach China wurde die Plünderung des Landes - auch kriegerisch - erleichtert. Und auch in der ersten Hälfte des 20. Jhdt. war die Erfahrung Chinas mit der 'Zivilisierten' Welt traumatisierend.

China galt als unfähig zur Modernisierung (Max Weber). Und die große Bevölkerungszahl schürte andererseits die Angst vor der drohenden 'Gelben Gefahr'. Der im kulturellen Kontext Chinas positiv konnotierte Drache wurde in populären Ausschmückungen umgedeutet: Ein die Weltkugel spaltender Drache illustrierte 2004 einen „Spiegel“-Titel. Differenzierte Analysen jedoch sind selten.

Politisch wird China vor allem im letzten Jahrzehnt als 'systemischer Rivale' (EU-Strategiepapier 2019) angesehen, als 'grundlegende und langfristige Bedrohung' (US-Außenministerium).

Welche Interessen stehen heute hinter dem Bild von einer drohenden „chinesischen Gefahr“? Geht es vorrangig um den globalen Führungsanspruch der USA mit Einbeziehung ihrer Verbündeten? Auch deutsche Politiker vertreten die werteorientierte Außenpolitik - aber nicht bei allen Ländern gleich.

Dass China sich als selbstbewusster Akteur im internationalen System etabliert hat – das scheint für die USA und ihre Verbündeten schwer akzeptabel zu sein. Und in diesen Zeiten immenser wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Herausforderungen, die viele Menschen verängstigen, ist es relativ leicht, an das alte Klischee der 'Gelben Gefahr' anzuknüpfen.

Ein Porträtbild von Mechthild Leutner.

* Prof. Mechthild Leutner war von 1991 bis 2014 an der Freien Universität Berlin Professorin für Staat und Gesellschaft des modernen China. Von 2006 bis 2019 leitete sie als Direktorin das Konfuzius-Institut an der Freien Universität.

 

https://www.tagesspiegel.de/wissen/kritik-am-berliner-konfuzius-institut-falsches-feindbild-china/25519346.html