Der Kampf gegen den Abstieg

In der Pandemie verschieben sich die Gewichte der Weltwirtschaft weiter nach China. Bei der Digitalisierung sind die USA überlegen. Europa sollte das als Weckruf begreifen, seinen Wohlstand zu sichern.

Alexander Hagelüken

23.01.21 SZ, Seite 24 (Essay)

 

Es gibt auf dem ganzen Erdball nur ein Land, das so etwas schafft: Ökonomisch so schwach zu wachsen wie seit einem halben Jahrhundert nicht mehr - und trotzdem als großer Gewinner der Corona-Pandemie dazustehen. Genau das gelingt der Volksrepublik China. - Die Wirtschaft in Europa nahm ab; die Währungsunion mit ihren 350 Milllionen Einwohnern ist erstmals wirtschaftlich kleiner als China.

China wird weiter wachsen. Und die USA wachsen schon länger stärker als die EU, weil ihre Bevölkerung zunimmt und jünger ist. Das alternde Europa könnte die demografische Wachstumskluft durch Zuwanderung oder späteres Rentenalter verringern. Doch für beide Wege erscheint ein Konsens illusionär.

China stellte vor zehn Jahren vornehmlich Laptops und T-Shirts her, aber Deutschland die Maschinen dafür. Das hat sich geändert und China investiert massiv, um in zehn strategischen Sektoren von künstlicher Intelligenz über Energie bis Medizin Weltmarktführer zu werden.

Europa und Deutschland drohen zurückzufallen. Technologisch, ökonomisch, politisch. Vor zehn Jahren waren von den 40 größten börsennotierten Firmen des Erdballs zehn europäisch. Heute sind es drei, davon aus Deutschland null.

Europa und Deutschland müssten mehr Geld in ihre Zukunft stecken als bisher. Die USA stecken dauerhaft drei Prozent ihrer Wirtschaftsleistung in Forschung und Entwicklung, Europa nur zwei Prozent. Das ist eine Lücke von 150 Milliarden Euro, pro Jahr. Für Investitionen gibt China seit vielen Jahren 40 bis 50 Prozent seiner Wirtschaftsleistung aus - Deutschland nicht einmal 20 Prozent.

Industriepolitik ist in Deutschland verpönt. Doch sie kann effektiv sein, wenn sich Politiker nicht als die klügeren Unternehmer aufspielen. Der Staat sollte die Betriebe beim Wandel unterstützen, ohne die Betriebe zu besitzen.

Als die Sowjets 1957 die ersten Satelliten ins All schossen, brach im Westen Panik aus, da man befürchtete, der Kommunismus erweise sich als überlegen. Die USA schufen die Innovationsagentur Darpa und ebneten vielen Innovationen den Weg, die ihre Digitalkonzenre heute so stark machen: vom Internet bis zu Touchscreens oder Cloud-Computing.

Investitionen, Innovationen , politischer Mut: Wenn Europa diese Strategie verfolgt, muss keinem seiner Bürger bange sein. Dann würden vielleicht auch die Schwachstellen in China und den USA deutlicher.  China altert so rasch wie Deutschland und damit schneller als viele EU-Staaten, was seinem Wachstum demographische Fesseln anlegen wird. Und sein autoritäres System kann Innovationen hemmen. Die USA wiederum sind wirtschaftlich ungleicher und politich gespaltener als die meisten europäischen Staaten. Die Dominanz ihrer Digitalkonzerne verdeckt, dass ihre klassische Industrie weniger wettbewerbsfähig ist als etwa die deutsche.

Politisch bewegt die EU trotz Brexit zwei Meilensteine. Mit dem Wiederaufbauplan stabilisiert sie den Euro. Und mit dem Klimaplan bis 2050 treibt sie einem ökologichen Umbau an. China und die USA haben nichts Vergleichbares.

 

https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/europa-usa-china-wohlstand-1.5183300?reduced=true    (gebührenpflichtig)

 

s. auch Pressemitteilungen der GDCF

 

07.08.20 Europa hoffnungslos abgeschlagen