Kritik verboten

Die anhaltende Unterdrückung der Minderheit der Uiguren durch China nimmt das Ausland nicht mehr tatenlos hin. Chinesische Politiker und Unternehmen werden mit Sanktionen belegt - die Führung in Peking antwortet mit PR-Kampagnen.

Lea Deuber, Frederik Obermaier

23.11.20 SZ, Seite 8

 

Mit den 'China Cables', vertraulichen Dokumenten der KP Chinas, wurden im November 2019 in 20 internationalen Zeitungen die Menschenrechtsver-letzungen an den Uiguren in Xinjiang veröffentlicht. Der internationale Aufschrei war groß; die US-Regierung verhängte Sanktionen, die Bundesregierung zeigte sich 'in größter Weise besorgt' und mehrere Uiguren-Organisationen wurden beim Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag vorstellig - und die chinesische Regierung wiegelt ab, da es sich um 'Berufsbildungszentren' und nicht um Lager handeln würde und die Teilnahme 'freiwillig' sei.

Experten der australischen Denkfabrik Australian Strategic Policy Institute (ASPI) identifierten mit Satellitenaufnahmen  und offiziellen Bauausschreibungen mehr als 300 Internierungslager, Haftlager und Gefängnisse, die seit 2017 entstanden sind.

Großbritannien und Kanada erwägen Sanktionen gegen China, Der Umgang mit den Uiguren falle unter die Definition von Völkermord. Die USA haben im Oktober 2019 Strafen gegen Behörden und Firmen verhängt, die für die Internierung und Zwangsarbeit verantwortlich sind. Ausländische Firmen, wie Volksweagen, müssen sich zunehmend kritischen Fragen stellen. Das kann zu einem Problem für Peking werden.

Parteichef Xi bezeichnete im September das Vorgehen in Xinjiang als 'völlig korrekt' und hat den Erfolg der Maßnahmen mit seinem Namen verknüpft. Kritik am Vorgehen gegen die Uiguren bedeutet damit auch Kritik an Xi. Und das wird nicht toleriert.

 

https://www.sueddeutsche.de/politik/chinacables-xinjiang-uiguren-1.5123358

 

 

 

Niemand tut etwas

Die Whistleblowerin Asiye Abdulaheb kritisiert die China-Politik des Westens

Asiye Abdulaheb hat Einzelheiten über Chinas Unterdrückung der Uiguren enthüllt. Viele im Westen würden nicht begreifen, mit wem sie es bei der Kommunistischen Partei des Landes zu tun haben.

Interview mit Kai Strittmatter

23.11.20 SZ, Seite 8

 

https://www.sueddeutsche.de/politik/asiye-abdulaheb-china-cables-interview-europa-1.5123362

 

 

 

Machtlos, hilflos, folgenlos

Die Unterdrückung der Uiguren durch China ist eines der größten Menschenrechtsverbrechen dieser Zeit. Ein klassischer Fall also für den UN-Menschenrechtsrat. Das Gremium aber hat viel zu wenig Einfluss - und das neueste Mitglied ist ausgerechnet China.

Frederik Obermaier, Isabel Pfaff

23.11.20 SZ, Seite 8

 

Bei dem Vorgehen der chinesischen Behörden in Xinjiang sprechen Experten vom kulturellen Genozid. Eigentlich ein klassischer Fall für die Vereinten Nationen und den UN-Menschenrechtsrat.

2006 wurde die Menschenrechtskommission durch den kleineren Menschenrechtsrat abgelöst, da die Kommission zu unglaubwürdig und zu zahnlos war. In ihr waren auch Staaten vertreten mit sehr poblematischer Menschenrechtsbilanz. Zeitweilig führten sogar der Sudan oder Lybien den Vorsitz.

Doch auch der Menschenrechtsrat scheint das Schicksal der vorhergehenden Kommission zu teilen. Die USA zogen sich unter Trump ganz zurück; Russland gerät auffallend selten in den Fokus - und China ignoriert schlichtweg jede Kritik aus dem Menschenrechtsrat.

Seit den China Cables wurde die Lage der Uiguren in allen Sitzungen des Menschenrechtrates angesprochen. Es wurde diskutiert und protokolliert. - Das war es dann auch schon wieder. - Und vor wenigen Wochen wählte die UN-Vollversammlung u.a. auch China in das Menschenrechtsgremium!

 

 

https://www.sueddeutsche.de/politik/chinacables-uiguren-xinjiang-menschenrechtsrat-menschenrechte-1.5123469