Impfe und herrsche

China entwickelt unter fragwürdigen Bedingungen Impfstoffe gegen Covid-19 - und bietet sie ärmeren Ländern an. Doch die Fürsorge gibt es nicht umsonst.

Lea Deuber

12.11.20 SZ, Seite 4 (Kommentar)

 

Weltweit befinden sich zehn Impfstoffe in der letzten Testphase; vier davon stammen aus China. Peking hat nicht nur unbegrenzte Mittel für die Forschung freigegeben, sondern wird auch dafür sorgen, dass die Produktion im erforderlichen Umfang schnell aufgenommen werden kann - unter Außerkraftsetzung der üblichen ethischen Grundsätze. Deswegen werden die chinesischen Impfstoffe in der westlichen Welt eher keine Chance haben. Kritik am Vorgehen ebenso wie Berichte über Rückschläge lässt Peking zensieren.

Der Plan der WHO 2 Milliarden Impfdosen für die Entwicklungsländer zu reservieren, wurde von Trump abgelehnt. So bleibt für die Staaten in Afrika, im Nahen Osten und in Asien nur die Hoffnung auf den staatlich subventionierten Impfstoff aus China. Und China bietet Kredite gleich mit, da es sich in diesen Ländern zum wichtigsten Anbieter machen will. Nach der Maskendiplomatie kommt jetzt die Impfdiplomatie, was Peking als die 'Seidenstraße der Gesundheit' bezeichnet.

Parteichef Xi spricht von der globalen Verantwortung. Doch Peking geht es primär darum, die Mitverantwortung für die Krise abzuschütteln, sein Image zu polieren - und die Erzählung von der Pandemie umzudeuten.

Wenn die demokratischen Staaten es nicht schaffen, eine faire Alternative zu Chinas globalen Impfinitiativen zu entwickeln, werden viele Staaten keinen anderen Ausweg sehen, als sich in die Abhängigkeit Pekings zu begeben.China wird die Krise nutzen, um seine neue politische Ordnung durchztusetzen.

 

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