Allein, allein

China ist einer der größten Klimasünder der Welt, aber von "Fridays for Future" hat in dem Land noch kaum jemand gehört. Die globale Klimabewegung ist hier eher eine Ich-AG. Über den einsamen Kampf der 17-jährigen Ou Hongyi.

Lea Deuber

01.09.20. SZ, Seite 3

 

Ou Hongyi ist 17 Jahre alt; vor einem Jahr hatte sie vor dem Regierungssitz in Guilin begonnen, mit einem sebstgemachten Schild auf die Klimakatastrophe hinzuweisen. Ihr Vorbild war und ist Greta Thunberg. Sie stehen in Kontakt miteinander. Doch während Greta Thunberg in über 150 Ländern zahlreiche vor allem jugendliche Nachahmer gefunden hat, bleibt 'Fridays for future' in China, einem der größten Klimasünder, eine 'Ich-AG'. Ou Hongyi ist in China unbekannt; doch auf Twitter, in China verboten, hat sie viele Follower.

Auf der Suche nach Verbündeten war die junge Chinesin einige Monate im Land unterwegs, hat Tausende Kilometer zurückgelegt, hat auf Parkbänken übernachtet. Sie hat inzwischen auch auf die Schule verzichtet, da die Lehrer ihr klar gemacht hatten, dass sie als Aktivistin 'nicht passend' sei. Da ein Schulabschluss nach der zwölften Klasse die Voraussetzung für ein späteres Studium ist, hat sich Ou Hongyi doch noch einmal zur Fortsetzung ihrer Schulausbildung entschlossen. Doch vor dem ersten Schultag wurde sie vor die Wahl gestellt: Schule oder Klima. Sie zögerte nicht!

Es gibt natürlich Organisationen und Initiativen in China, die sich auch um Klimafragen kümmern. Aber für NGOs wird die Lage in China immer schwieriger. Es gibt rote Linien, die nicht überschritten werden dürfen, wenn man im Land aktiv bleiben will. 'Vielen bin ich zu extrem', sagt Ou.

Wenn sie gerade nicht demonstriert, ist sie in den Feldern um Yangshuo unterwegs und redet oft mit den Bauern. Dass sich etwas verändert, merken alle in Yangshuo. Im Gegensatz zu früher kommt die Überschwemmung jetzt jedes Jahr. Die Durchschnittstemperatur wächst in China schneller als im globalen Durchschnitt; ebenso auch der Meeresspiegel. Seit Monaten kämpft das Land mit einer Jahrhundertflut und einer Hitzewelle. Gleichzeitig ist China das Land, das weiter ungebremst Kohlekraftwerke baut. Klimaeperten haben die Regierung gewarnt - 'den Bericht haben sie verschwinden lassen', sagt Ou. Wirtschaftliche Interessen stehen im Vordergrund.

Am Abend in der Einkaufstraße sagen ihr viele, allein könne sie doch gar nichts verändern. 'Greta hat auch etwas bewegt'; aber Greta ist in China unbekannt. Ou schreibt sich die Namen aller auf, die mehr erfahren wollen - am Ende eines langen Tages hat sie zehn Namen beisammen.

 

 

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