Stolz und Vorteil

In der Schlacht um Huawei ist Europa eingekeilt zwischen zwei Großmächten. USA und China drohen beide schamlos. Die Frage ist: Wem soll Deutschland die Hightech-Infrastruktur der Zukunft anvertrauen?

Christoph Giesen, Georg Mascolo, Alexander Mühlauer und Kai Strittmatter

29.07.20 SZ, Seite 3

 

China und die USA liefern sich einen Technologiekrieg. Großbritannien und Dänemark haben in den vergangenen Wochen Huawei aus dem Markt ihrer Länder gedrängt. Europa ist zwischen den beiden Großmächten USA und China eingekeilt. Deutschland wird sich auch entscheiden müssen.

Die US-Regierung geht davon aus, dass in Wahrheit Peking bei Huawei die Fäden zieht. Huawei behauptet zwar, dass es ein privates und vom Staat und der Partei unabhängiges Unternehmen sei. Andererseits gibt es seit 2017 in China ein Geheimdienstgesetz; in seinem Artikel 14 heißt es, die chinesischen Nachrichtendienste 'können von den zuständigen Organen, Organisationen und Bürgern die erforderliche Unterstützung, Hilfe und Zusammenarbeit verlangen'. Deswegen befürchtet nicht nur Washington, dass Huawei gezwungen werden könne, der Regierung Einblick in Kundendaten und Zugriff auf Server zu gewähren.

China wehrt sich energisch und dabei teils sachlich und teils drohend gegen diese Interpretation. Dabei drohte Peking bereits auch Berlin. Und Berlin muss u.a. zwischen Wirtschafts- und Sicherheitsinteressen entscheiden; denn Washington droht damit, Sicherheitsinformationen nicht mehr weitergeben zu können, sollte sich Berlin für Huawei entscheiden. Und außerdem muss auch Europa seine eigene Rolle finden.

Zum Stimmungsumschwung in Dänemark kam es, als bekannt wurde, dass China der autonomen Regierung der zu Dänemark gehörenden Faröer-Inseln mit dem Platzen des Freihandelsabkommen drohte, wenn Huawei nicht sein Netz auf den Inseln installieren könne. Außerdem wurde die augedehnte, finanziell unterstützte Lobbyarbeit von Huawei in Dänemark bekannt.

Zur Zeit von Premierminister Cameron wurde China zum 'besten Freund' Großbritanniens erklärt. Großbritannien wurde für chinesische Investitionen geöffnet - vom Atomkraftwerk Hinkley Point bis zur Mobilfunktausrüstung von Huawei. In London war von einer 'Goldenen Ära' der chinesisch-britischen Beziehungen die Rede. Mit der Corona-Pandemie, mit dem Sicherheitsgesetz in Hongkong und anderen Ereignissen wollten die Briten nicht mehr wegschauen und eine Parlamentariergruppe der Konservativen zwang schließlich Premierminister Johnson zu einer drastischen Änderung seiner ursprünglich wohlwollenden Huawei-Politik.

Aufgrund der Politik Washingtons haben die Halbleiterhersteller Qualcomm, Intel, Broadcom ihre Lieferungen nach China drastisch zurückgefahren. Eine Weisung des US-Handelsministeriums macht die Lieferung von Microchips ab September quasi unmöglich. Und diese Chips sind Herz und Gehirn des digitalen Zeitalters.

Die Entscheidung Großbritanniens ist ein großes Problem für Berlin, das sich gern hinter GB versteckte, das als Teil der Geheimdienstallianz Five-Eyes lange Zeit keine Sicherheitsprobleme gesehen hatte.

 

 

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