Grenzenlos

Im Schatten von Corona betreibt China eine neue Außenpolitik, die von diplomatischen Rambos durchgesetzt wird. Auch im Inland bekommen die Menschen das aggressive Vorgehen zu spüren - eine Neuausrichtung ist im Gang.

Lea Deuber

27.07.20 SZ, Seite 2

 

Bhutan ist bekannt für seine spektakuläre Landschaft. Für sie wird das Wirtschaftswachstum dem Umweltschutz untergeordnet und für ihren Schutz werden auch auf mögliche finanzielle Einnahmen durch Touristen verzichtet. Umso größer waren Erstaunen und Wut über neue Ansprüche Chinas auf ein bhutanisches Gelände in der Größe von Singapur, bei dem es sich obendrein noch um ein Naturschutzgebiet handelt.

Der Grenzkonflikt mit Bhutan ist nur der jüngste auf einer langen Liste an territorialen Streitigkeiten, die China in seiner Nachbarschaft führt. Der folgenschwerste ist sicherlich die Konfrontation mit den USA. In Hongkong hat China mit dem Staatssicherheitsgesetz faktisch den internationalen Vertrag mit Großbritannien aufgekündigt. Im Südchinesischen Meer hat China seine Präsenz zuletzt sehr ausgeweitet. Im Streit mit Indien hat China einen Grenzkonflikt eskalieren lassen mit ca. 20 toten indischen Soldaten.

Kern der früheren chinesischen Außenpolitik waren das Prinzip der Nichteinmischung und das Primat der nationalen Souveränität. Über Jahrzehnte unterstützte China keine Sanktionen gegen andere Staaten. Es hielt sich aus Konflikten wie dem Syrien-Krieg heraus und zwang, im Unterschied zu den USA oder den demokratischen Staaten in Europa, anderen Ländern keine Werte oder politische Reformen auf. Und als China in die internationale Kritik geriet wegen der künstlichen Inseln im Südchinesischen Meer, da bemühte es sich um versöhnliche Töne und verstärkte sein diplomatisches Engagement vor Ort. Und nach dem Zerfall der Sowjetunion bemühte sich China um Kompromisse in 14 von 16 Grenzkonflikten.

China hält zwar noch an den früheren Prinzipien fest. Aber das neue China unter Xi tritt so selbstbewusst auf wie nie. Der Parteichef scheint Chinas Zeit gekommen zu sehen. China mischt sich jetzt in die Politik anderer Staaten ein. Von Afrika bis Südamerika vertritt Peking - auch militärisch - seine Interessen. Mit Milliardeninvestitionen wird die Abhänigkeit von Staaten gefördert. Und unbotmäßiges Verhalten quittiert Peking mit Sanktionen wie z. B. bei Australien wegen der australischen Forderung nach einer unabhängigen Untersuchung des Corona-Ausbruchs in China.

Dass Chinas wirtschaftlicher und politischer Druck funktioniert, zueigt die zögerliche Haltung der Bundesregierung im Fall Hongkong.

 

 

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