Zahlen - Akrobatik

Peking feiert sich: Die Wirtschaftsleistung stieg von April bis Juni um satte 11,5 Prozent, gemessen am Vorquartal. Aber stimmt das überhaupt?

Christoph Giesen

20.07.20 SZ, Seite 15

Nach offizieller chinesischer Lesart erholt sich die chinesische Wirtschaft von der Pandemie: das BIP hat im Vergleich zum 2. Vorjahresquartal um 3,2 Prozent zugenommen und die aktuelle Wirtschaftsleistung steigerte sich im Vergleich zum ersten Quartal d. J. um 11,5 Prozent. Doch wie verlässlich sind die offiziellen Zahlen?

Auffallend ist, dass die chinesische Volkswirtschaft trotz Rekordarbeitslosigkeit gewachsen sein soll. Die offizielle Arbeitslosenquote ist von 5,5 Prozent vor Corona auf jetzt 6 Prozent gestiegen. Jedoch werden dabei nur die sozialversicherungspflichten Jobs und die Wanderarbeiter in den großen Städten erfasst. Alle Arbeitslosen, die wieder aufs Land zurückgezogen sind, werden nicht erfasst. Eine Analysefirma kam auf 70 Millionen durch Corona arbeitslos gewordene Chinesen und damit auf eine Arbeitslosenquote von 20,5 Prozent; diese Studie musste zeitnah wieder zurückgezogen werden.

Li Kequiang erklärte 2007, damals noch Parteichef von Liaoning, dass er weniger auf das BIP achte als vielmehr nur auf den Energieverbrauch, die Kreditvergaben und die Eisenbahnfrachttonnen.

Nach der Finanzkrise 2008 wurde ein Investitionsprogramm aufgelegt, was jetzt weitestgehend fehlt. Es fällt jetzt vor allem auf, dass vornehmlich die Staatskonzerne Treiber des neuen Wachstums sind. Die Autoproduktion liegt über dem Plansoll; aber dabei ist davon auszugehen, dass es sich um vorgezogene Investitionen handelt, da viele Chinesen sich unter Corona vor den öffentlichen Verkehrsmitteln fürchten. Und in den anderen Branchen wird ebenso wild produziert; doch für wen? Der Export schwächelt, die Nachfrage in Europa und in den USA ist zurückgegangen. Und der Dienstleistungssektor ist in China zur Zeit weit von der Normalität entfernt.

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