Kotau für den Kommerz

Profisportler und Vereine kommt es teuer zu stehen, wenn sie sich dem Willen der chinesischen Regierung nicht beugen. Mesut Özil hat ein sportpolitisches Tabu gebrochen.

Jürgen Schreiber

17.12.19 SZ plus, Seite 2

 

Spitzensportler und Vereine sind gut beraten, wenn sie sich um den 'asiatischen Markt' kümmern, auf dem in der jüngeren Vergangenheit erhebliche finanzielle Einnahmen und Honorare generiert werden konnten. Das bedeutet, dass Top-Vereine im Sommer in China mit Vorbereitungsspielen und Spitzensportler in den fernöstlichen Social-Media präsent sein sollten - und das Ganze absolut apolitisch! Dies gilt umso mehr, seit wichtige Vereine z.B. der englischen Premier League am chinesischen Geldhahn hängen.

Mesut Özil hat mit seinem Twitter-Aufruf, sich mit den muslimischen Uiguren in Xinjiang zu solidarisieren, erlebt, wie schnell Peking reagiert, wenn Sport mit Politik vermischt wird: der staatliche Fernsehsender musste die Übertragung des Fußballspiels Arsenal - Manchester City absetzen. Und Özil bekam von seinem Verein in den Social Media keine Rückendeckung.

Die amerikanische Basketballliga NBA hat bereits früh das Vermarktungspotential auf dem asiatischen Markt erkannt und ist seit 1979 mit Trainings- und Vorbereitungsspielen in China präsent. Die NBA hat inzwischen ein Büro in Hongkong; und mittlerweilen bescheren die Verträge der NBA jährliche Einkünfte von 500 Millionen Dollar, was sich auch auf die Honorare der Spieler auswirkt.

Eine Sympathiebekundung auf Twitter im Oktober von einem Manager der Houston Rockets hat nicht nur zur chinesischen Forderung seiner Entlassung geführt, sondern auch dazu, dass auch jetzt noch keine NBA-Spiele beim staatlichen Fernsehsender CTTV-5 zu sehen sind; unt Tencent zeigt im Internet keine Partien mit Beteiligung der Rockets. - Dem Verein sollen Einnahmen in Höhe von ca. 25 Millionen Dollar entgangen sein.

Insgesamt brauchen die NBA oder die englische Premier League China wirtschaftlich mehr als umgekehrt und bleiben damit abhängig.

 

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Wenn Ameisen Angst machen

Chinas Führung ist so repressiv wie seit Jahrzehnten nicht. Jetzt will sie Zensur und Propaganda in alle Welt exportieren.

Kai Strittmatter

17.12.19 SZ, Seite 2

 

Nach seinem Twitter für die Uiguren dauerte es nicht lange, das wurde Mesut Özil in den chinesischen Medien als 'Clown' oder als 'schmutzige Ameise' bezeichnet, oder sogar als verkappter Dschihadist beschimpft. Und dann wurde die rote Karte gezogen, nämlich dass er 'die Gefühle des chinesischen Volkes verletzt' habe.

Die 'verletzten Gefühle' sind eine ultimative Drohung. 2018 musste sich Daimler in den Staub werfen und Reue und Selbstzensur zeigen, nachdem sie auf Instagram den Dalai Lama mit einem Kalenderspruch zitiert hatten. - Entsprechend droht Peking auch Hotelketten oder Fluglinien, die auf ihren Buchungsportalen Taiwan als eigenständiges Land führen. Die Firmen knicken aus Angst vor Gewinneinbußen in der Regel ein. So 2019 auch Dior, Swarovksi oder Versace. Versace hatte auf einem T-Shirt hinter dem Städtenamen Hongkong vergessen, das Vaterland China in Klammern zu erwähnen; Versace beschwor daraufhin seine 'inbrünstige Liebe' zu China.

Die wohl angemessenste Entschuldigung kam von der satirischen US-Zeichentrickserie "South Park", die nach dem Vergleich von Xi Jinping mit Winnie the Pooh in China gelöscht wurde: 'Wie die NBA heißen wir Chinas Zensoren in unseren Heimen und Herzen willkommen. Auch wir lieben Geld mehr als Freiheit und Demokratie. Und Xi Jinping sieht überhaupt nicht aus wie Winnie the Pooh.'

Und hinsichtlich des FAlls Özil könnte es sein, dass Peking mit seinen aggressiven Reaktionen mehr Werbung für den Tweet von Özil gemacht hat, als dieser selbst je hätte machen können.

 

https://www.sueddeutsche.de/politik/china-uiguren-mesut-oezil-1.4726243

https://www.sueddeutsche.de/sport/oezil-uiguren-kommentar-1.4724032

https://www.sueddeutsche.de/sport/mesut-oezil-china-uiguren-erdogan-peking-1.4724350