Die Reise beginnt erst

Die jüngsten Bezirkswahlen haben Hongkong eine Atempause gegeben, aber auch nicht mehr. Die Hoffnung kann jeden Moment wieder verglimmen.

 

Die Bezirkswahlen in Hongkong verliefen im November ruhig bei einer hohen Wahlbeteiligung von über 70%. „Die intoleranten, verwöhnten, gewalttätigen Randalierer – so stellt es zumindest unsere Regierung dar – warteten stundenlang“ neben und mit all den anderen wahlinteressierten Bürgern Hongkongs und dabei ohne ihre schwarze Bekleidung, der Farbe des Protestes.

In einem Trommelfeuer an Nachrichten und Kommentaren wurde der regierungsnahen Hoffnung Ausdruck verliehen, dass die schweigende Mehrheit der Bevölkerung, die für Recht und Ordnung steht und als deren Repräsentantin sich Peking immer propagiert hatte, Klarheit schaffen würde mit ihrer Stimmenabgabe. Klarheit wurde geschaffen – aber nicht mit dem Ergebnis, mit dem Peking gerechnet hatte.

Bei einer Rekordwahlbeteiligung erhielten die pro-demokratischen Kandidaten 57% der Stimmen und 82% der Sitze. Die Wahl hat widerlegt, dass die Protestierenden nur eine radikale, von ausländischen Mächten gesteuerte Minderheit sind.

Aber auch wenn die Hongkonger nun wieder zu träumen und zu hoffen wagen, darf man folgende Punkte nicht vergessen:

  • Es gibt Berichte, dass Peking erwägt, Hongkonger Bürgern, die auf dem Festland außerhalb von Hongkong leben, das Stimmrecht zu geben.
  • Auch wenn die Wahlen als Referendum zu den Protesten verstanden werden, so wurden doch Bezirksräte gewählt, die trotz aller Einschränkungen einen gewissen Handlungsspielraum innerhalb des Systems haben.
  • Auch nach dem klaren Wahlergebnis gibt es keine Anzeichen, dass sich Pekings Haltung geändert hätte. Ein Weg zur Einigung ist nicht abzusehen.

Trotz des eindeutigen Wahlergebnisses betrachtet Peking die Proteste weiterhin als Aufstand und die Protestierenden als Terroristen. Deren Sorgen bleiben weiterhin ungehört. – Die Wahlen haben für den Augenblick eine willkommene Ruhepause geschaffen. Aber sie sind lediglich der Anfang einer langen Reise.

 

* Evan Fowler ist Autor und Journalist und stammt aus Hongkong. Er lebt seit 2018 in Großbritannien

 

https://www.sueddeutsche.de/kultur/hongkong-wahl-proteste-stimmung-demokratie-1.4707627?reduced=true (kostenplfichtig)